Titelthema

175 Jahre Eisenbahn - Die Zeichen am Streckenrand

Unsere Bahn - ein komplexes System mit langem Bremsweg
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Verstehen Sie Bahn? Hier befinden wir uns im Dachstübchen der Bahnsignale, denn die Farbe Blau steht für Oberleitung
Die abgewetzte Tasche mit Thermoskanne und Butterbrot gehört zum Beruf. Wer in Hamburg-Maschen einen Güterzug übernimmt, um ihn nach Hagen zu fahren, braucht Proviant. Ein Lokführer darf seine Lok nicht verlassen. Da freut er sich auf jeden Halt und den Schraubbecher mit heißem Kaffee.

Wer an der Spitze eines Zuges arbeitet, ist Alleinherrscher über eine gewaltige Maschine - und auf sich allein gestellt. Mit dem Steuerknüppel, so groß wie ein Joystick, regiert er über 6000 Pferdestärken.

Wobei regieren das falsche Wort ist. Autofahrer bestimmen, wann, wo und wohin sie fahren. Sie machen Pause, wenn es gerade passt. Bei der Bahn geht das nicht. Für jeden Zug gibt es Fahrauftrag und Fahrplan. Absolut verbindlich. Eigenmächtigkeiten sind nicht drin.

Auch erfahrene Lokführer werden immer wieder zu Lehrlingen. Wer die Strecke wechselt, muss zunächst einen Kollegen begleiten, der sich auskennt. Wo stehen die Signale? Mit welchen Besonderheiten entlang der Strecke ist zu rechnen? Ohne nachgewiesene Streckenkenntnis darf keiner los.

Dass die Züge pünktlich fahren und die Abstände von Zug zu Zug genauestens eingehalten werden, darüber wachen die Männer und Frauen in den großen Stellwerken. Sie steuern den Schienenverkehr per Rechner und Mausklick, stellen Weichen, schalten Signale und entscheiden, was zu tun ist, wenn es irgendwo zu Störungen kommt.

Ein ganzes System von Signalen links und rechts des Fahrweges ist notwendig, um die Züge schnell und sicher zu ihren Zielen zu führen. Es gibt zwar Zugfunk, der aber ergänzt lediglich Anweisungen, die Mann oder Frau an der Spitze des Zuges per Signal erhält. Jedem Hauptsignal steht ein Vorsignal weit voraus. Es zeigt an, ob das Hauptsignal auf Halt stehen wird oder nicht. Das muss so sein, denn es erleichtert den nicht unerheblichen Bremsweg eines Zuges. Soll ein Personenzug auf freier Strecke anhalten, muss der Lokführer schon 700 Meter vor dem Hauptsignal seinen Zug abbremsen. Entsprechend weit stehen Vor- und Hauptsignal auseinander. Im Notfall kann der Zug deutlich schneller zum Stehen gebracht werden. Dann aber fallen etwa in einem IC-Zug die Koffer aus der Ablage und im Bistroabteil rutschen die Suppenteller von den Tischen.

Auf Hochgeschwindigkeitsstrecken sind die ICE-3-Züge mit Tempo 300 unterwegs, und die Bremswege summieren sich leicht zu Kilometern.

Warum? Die Reibung zwischen Stahlrädern und Stahlschiene ist entschieden geringer als der Reibungswiderstand, den gummibereifte Autos überwinden müssen. Eisenbahnräder rollen auf einer Fläche, kleiner als ein Männerdaumennagel. Das spart Energie, dafür dauert es länger, bis ein Zug zum Stehen kommt. Wenn etwa der ICE-Wagen 23 am Bahnsteig genau dort steht, wo das laut Wagenstandsanzeiger geplant wurde, dann ist das ein Resultat großer Erfahrung des Lokführers und eine Frage seines Fingerspitzengefühls.

Eisenbahn ist ein komplexes System. Jede Störung wirkt sich sofort auf die nachfolgenden Züge aus - sie sind an die Schienen gebunden und können nicht ausweichen. Deshalb muss es verbindliche Regeln für alle geben, die in diesem Netz unterwegs sind. Das Signalbuch der Bahnen ist dick wie ein altes Lexikon. Der Staat hat - wie bei den Straßen - die Oberaufsicht über die Schienenwege in Deutschland. Das macht Sinn, denn außer der Deutschen Bahn als wichtigstem Nutzer haben 300 weitere Bahngesellschaften eine Lizenz zum Schienenverkehr.

Ohne Zeichen und Regeln geht nichts.

Jubiläum

Die Bahn in Deutschland wird 175 Jahre alt. Eine Übersicht fast aller Verkehrszeichen der Bahn finden Sie in der Galerie.

Streckensignale: Deutsche Bahn